Ich war nicht erschrocken gewesen, erst jetzt, als der Mönch in der Mitte das sagte, erschrak ich, wie ein Augenzeuge, der den Tatverdächtigen glasklar wiedererkennt. Mir wurde schwindelig, ich machte einen Schritt nach rechts, nicht weil mich irgendetwas von außen oder innen anrempelte, sondern weil ich, als der Mönch in der Mitte „Guten Abend“ sagte, ahnte, dass er das ganze großflächige Leben in einer einzigen Bewegung umdrehen würde. (S. 131) In einem nigerianischen Sprichwort heißt es, es brauche ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen. Im Fall von Luise und Martin, die in den Achtzigern in einer winzigen Dorfgemeinschaft im Westerwald aufwachsen, ist dies unbedingt zutreffend. Was die Ehrziehungsberechtigten der beiden an Zuwendung, Aufmerksamkeit, Empathie, Lebenspraxis und -weisheit vermissen lassen, wird durch die übrigen Dorfbewohner*innen wettgemacht. Luises überlebensgroße Großmutter Selma, die wie Rudi Carell aussieht, ist Lakonie in Reinform und Herz und moralischer Komp...